Textbeitrag in der DBZ 3/2006

 

Natürliche Rauch- und Wärmeabzugsanlagen

Natürliche Rauch- und Wärmeabzugsanlagen

Wenn Rauchabzüge eingebaut werden, müssen deren Nachweise über die Tauglichkeit vorliegen. Dies kann ein Nachweis nach EN 12 101-2 oder die Zustimmung im Einzelfall sein.

Da Brände in Gebäuden grundsätzlich nicht verhindert werden können, erhalten Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (RWA) eine zentrale Bedeutung innerhalb des vorbeugenden Brandschutzes.
Die Schutzziele sind:
– Der Personenschutz: Rauchfreihaltung von Rettungswegen
– Der Umweltschutz: Verminderung der Umweltschäden
– Der Sachwerteschutz: Erhaltung der Bausubstanz.

Im Brandfall geht die Bedrohung nicht nur von Feuer und Hitze, sondern besonders vom Rauch und den entstehenden giftigen Brandgasen aus. An erster Stelle bedroht Rauch Leben und Gesundheit des Menschen.
Brandgase sind zu fast 90% die Ursache für „Brandopfer“. Brandtote sind Rauchtote! Der Gefahr der bei einem Brand entstehenden Verbrennungsprodukte wie Rauchgas, Oxide und Wärmeenergie begegnet man am besten durch eine Abführung des Rauches ins Freie. Diese wichtige Aufgabe übernehmen Rauch- und Wärmeabzugsanlagen, die den Rauch effektiv aus dem Gebäude abführen. Räume und Gebäude ohne RWA werden in wenigen Minuten vollständig mit Rauchgasen ausgefüllt. Diese Rauchgasschicht macht eine aktive und passive Rettung unmöglich! Die thermische Beanspruchung des Baukörpers durch heiße Brandgase kann zum Einsturz des Gebäudes führen. Rauch- und Wärmeabzugseinrichtungen sind somit zu einem unverzichtbaren Bestandteil von Brandschutzkonzepten geworden.
Die natürliche Entrauchung nutzt den thermischen Auftrieb – mit Zuluftöffnungen im unteren Wandbereich und Abluftöffnungen möglichst im oberen Wand- oder Deckenbereich -, um den Rauch in einer stabilen Rauchschichtgrenze oberhalb des Aufenthaltsbereiches des Menschen zu binden.


Die bei einem Brand entstehenden Verbrennungsprodukte wie Rauch, Wärme und heiße Brandgase steigen im Raum nach oben und bilden unterhalb der Decke eine Schicht aus Rauch und Brandgasen. Mit Hilfe der RWA wird diese
Schicht mittels des thermischen Auftriebsprinzips bereits in der Entstehungsphase des Brandes direkt ins Freie abtransportiert. Die notwendigen Zuluftöffnungen sorgen für den erforderlichen Ausgleich des Massenstroms und verstärken den Effekt des thermischen Auftriebs (Kamin-Effekt).

Rauchausbreitung mit RWA

Untersuchungen zeigen, dass eine windrichtungsabhängige Öffnung von Ab- und Zuluftflächen in den Seitenwänden unumgänglich ist. Da sich diese Öffnungen immer an der Wind abgewandten Seite befinden müssen, ist der Einbau von Ab- und Zuluftflächen in mindestens zwei gegenüberliegenden Gebäudewänden erforderlich. Ausführlich beschreibt die DIN 18232 Teil 2 die Anforderungen und Bemessungen an Natürliche Rauch- und Wärmeabzugsanlagen.

RWA-Anlagen sind im Hinblick auf die Rettung von Menschenleben und Materialien eine zwingende Notwendigkeit. Nicht ohne Grund ist die Forderung nach einer RWA-Anlage Bestandteil jeder Bauordnung der Bundesrepublik Deutschland.

Hinweise für die Planung

Die folgenden Punkte sollten in der frühen Planungsphase berücksichtigt werden

 – Die Ab- und Zuluftöffnungen müssen so bemessen sein, dass im geöffneten Zustand die geforderte geometrische bzw. aerodynamische Fläche erreicht wird. Die Zuluftfläche muss größer als die Abluftfläche sein, in der Regel um das 1,5fache.

– Die Antriebe und die Befestigungselemente müssen für die benötigten Kräfte ausgelegt sein. Die geforderten Ausstellweiten der Fenster sind zu erreichen. Es darf in keinem Fall zu Kollisionen mit den Fensterprofilen kommen.

– Die Zuleitungen müssen den örtlichen Brandschutzbestimmungen entsprechen und vom Querschnitt den benötigten Motorströmen bzw. Volumen angepasst sein. Die Kabelqualität (E30, E90) ist den örtlichen Gegebenheiten anzupassen bzw. auf das Brandschutzgutachten abzustimmen.

 – Zur Sicherstellung der Funktion ist der Kabelquerschnitt zu den RWA-Antrieben gemäß Kabellängentabelle zu projektieren.
– Die elektrische RWA-Zentrale sollte in einen dafür vorgesehenen belüfteten Technikraum eingebaut werden. Um eine sofortige Auslösung bei einem Brand in diesen Räumen zu gewährleisten, sind hier automatische Brandmelder empfehlenswert. Die Wirksamkeit einer RWA-Anlage darf nicht durch einen innen oder außen liegenden Sonnenschutz beeinträchtigt werden. Hier ist ggf. eine Folgeschaltung zu integrieren. Eine Abstimmung mit dem Sachverständigen ist ratsam.
– Manuelle RWA-Bedienstelle müssen gut sichtbar sein und sollten an zentralen Stellen wie an Eingangs- oder Empfangsbereichen montiert werden. Es ist sinnvoll, den Einbauort mit einem Schild „Rauchabzug“ zu kennzeichnen.
Automatische Rauchmelder sind so zu platzieren, dass das Auslösekriterium, wie z.B. Rauch oder Hitze, den Melder erreichen kann. Um Fehlauslösungen zu vermeiden, muss bekannt sein, welche Gegebenheiten in dem entsprechenden Gebäudeteil im Normalbetrieb herrschen. Hierzu gehören u. a. Staub, Wasserdampf oder auch höhere Temperaturen unter Glasflächen. Abstände zu Wandflächen sowie die Überwachungsfläche der Melder sind bei der Planung und beim Einbau zu beachten. Um eine einwandfreie Funktion des Windmessgerätes zu gewährleisten, muss es an einer verwirbelungsfreien, aber dem Wind zugänglichen Stelle auf dem Dach montiert werden. Bei der Planung von automatischen Fensteröffnungen ist die Richtlinie für „kraftbetätigte Fenster, Türen, Tore“ zu beachten. Der Fluchtweg ist auch bei geöffneten Fensterflügeln freizuhalten. Die Anlagenteile müssen für spätere Wartungsarbeiten zugänglich sein.

 

Vorschriften und Richtlinien

Musterbauordnung und Landesbauordnung Die von den Ländern gemeinsam erarbeitete Musterbauordnung (MBO) (November 2002) stellt die Grundlage für die Landesbauordnungen dar. Das grundsätzliche brandschutztechnische Ziel einer Rauchabzugsanlage ist in §14 der MBO festgeschrieben: „Bauliche Anlagen müssen so beschaffen sein, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.“
Die Musterbauordnung regelt die Notwendigkeit des Rauchabzugs in Treppenräumen, diese Forderung wird von allen Landesbauordnungen übernommen und durch ergänzende Bestimmungen für Sonderbauten konkretisiert. Die Sonderbauverordnungen der Länder beruhen ebenfalls auf einer Musterverordnung. Zudem gelten öffentlich-rechtliche und private Richtlinien. Die Forderungen können allerdings von Bundesland zu Bundesland variieren. Es ist also dringend erforderlich, die zusätzlichen Regelungen des jeweiligen Bundeslandes zu beachten.

DIN 18232 Teil 2

Diese Norm gilt für die Bemessung und den Einbau von Natürlichen Rauch- und Wärmeabzugsgeräten (NRWG). Sie enthält Tabellen und Berechnungsverfahren sowie Hinweise und Festlegungen, die bei der Anwendung dieser Regeln zu beachten sind.

Fragen von Architekten zur EN 12101-2
Wo steht das, dass ich die EN 12101-2 anwenden muss? „Siehe Bundesgesetzblatt vom März 2003.“
Müssen die Anforderungen der EN 12 101-2 auch im Sanierungsfall angewendet werden?

„Solange keine neue Baugenehmigung erteilt wird, ist der Altzustand weiter akzeptabel. Muss durch Nutzungsänderung eine neue Baugenehmigung erteilt werden, sind alle die zu diesem Zeitpunkt gültigen Regelungen geltend.“
Weicher Zeitpunkt der Bauausführung ist maßgebend für die Anwendung der EN ausschlaggebend?

„Der Zeitpunkt der Abnahme.“
Woher bekomme ich die Vorgaben für die notwendigen Rauchabzugsflächen?

„Die Werte für die aerodynamischen Querschnitte sind das Ergebnis der Bemessung nach DIN 18 232-2 und durch den Fachplaner ermittelt.“
ist die Zuluft auch in dieser Norm geregelt?

„Nein, die Zuluft wird national nach der DIN 18 232-2 geregelt.“
Wie ist festgelegt, wo im BV die Abluftöffnungen einzubauen sind?

„Dieses ist in der DIN 18 232-2 geregelt. Hier gibt es genaue Richtlinien zur Positionierung der Rauchabzugsgeräte.“
Welche Norm wird durch die EN 12 101-2 in der Fassade abgelöst?

„Bis dato sind Rauchabzüge nach DIN 18 232-3 für Einbauwinkel > 25° Dachneigung KEINE geregelten Bauprodukte. Somit ist für diese Fälle seit langem eine Zustimmung im Einzelfall erforderlich gewesen.“
Bin ich als Architekt durch diese Norm bei der Gestaltung des Gebäudes eingeschränkt?

„In keinster Weise, denn alleine Schüco hat bis heute für über 80 % aller Profiltypen und über 17 verschiedene Fensterarten die Zulassung nach EN 12 101-2 durchgeführt. Alle Profiloberflächen und nahezu alle Glasarten sind einsetzbar. Damit ist die Kreativität auch in Zukunft sichergestellt.“
Weiche Gläser können für Schüco RWA-Systeme verwendet werden?

„Glas ist für die Gestaltung und Funktion eines Gebäudes ein wichtiger Bestandteil. Schüco hat deshalb unterschiedlichste Glaskombinationen geprüft. Diese reichen von Float über ESG, TVG und VSG Gläser. Kombinationen von Wärme-, Schall- und Sonnenschutzgläser sind somit möglich. Nicht vorgeschrieben dagegen ist ein bestimmter Glashersteller.“


Auszug von Fragen, die anlässlich einer Veranstaltung zur DIN EN 12101-2 von Architekten gestellt wurden.

 
Die DIN18232 Teil 2 ermöglicht nun erstmalig, RWA-Anlagen über vertikale Flächen in Gebäuden normgerecht zu planen und zu projektieren. Die Abluftöffnungen müssen vollständig in der Rauchschicht liegen. Die Unterkante muss mindestens 0,5 m oberhalb der Grenze zur kalkulierten raucharmen Schicht (nach DIN 18232-2) liegen. Die Zuluftflächen sind bodennah in den Außenwänden, in denen auch die Abluftöffnungen eingebaut werden, vorzusehen. Die wirksame Fläche der Zuluftöffnung muss mindestens das 1,5fache der Öffnungsfläche aller Abluftöffnungen in den Außenwänden des Raumes betragen. Sie muss – ebenfalls verdoppelt – gleichmäßig auf beiden Seiten verteilt werden. Die Zuluftflächen müssen vollständig in der raucharmen Schicht liegen. Die aerodynamische Wirksamkeit der Rauchabzugsfläche eines NRWG’s ist nach den in DIN EN 12101 Teil 2 beschriebenen Verfahren nachzuweisen.

DIN EN 12101-Teil 2

Diese Europäische Norm EN 12 101-2 ersetzt die DIN 18 232-3 von 1984, überarbeitet wurden allgemeine Festlegungen. Seit dem 1. April 2004 können die EN 12101-Teil 2 und die DIN 18232 bis zum 31. August 2006 parallel angewendet werden. Bis September 2006 müssen allerdings etwaige entgegenstehende nationale Normen zurückgezogen werden.

Die EN 12 101 besteht aus 10 Teilen, die folgende Bestimmungen enthalten:
Teil 1 Bestimmungen für Rauchschürzen
Teil 2 Festlegungen für natürliche Rauchabzüge
Teil 3 Bestimmungen für maschinelle Rauch und Wärmeabzugsgeräte
Teil 4 Bausätze zur Rauch- und Wärmefreihaltung
Teil 5 Funktionelle Anforderungen und Rechenverfahren für Rauch- und Wärmeabzugsanlagen
Teil 6 Festlegungen für Differenzdrucksysteme – Bausätze
Teil 7 Entrauchungsleitungen
Teil 8 Festlegungen für Entrauchungsklappen Teil 9 Steuerungstafeln Teil 10 Energieversorgungen.

Zusatz

NRWG’s bis 25° Dachschräge = DIN 18232-3 oder EN 12 101-2

NRWG’s über 25° Dachschräge = EN 12 101-2

 
NRWG’s           DIN 18232-3                 EN 12101-2


bis 25°              Bis September 2006*   Ab September 2003

 

über 25°                                              Ab September 2003


*Koexistenzphase

Hinweis: Bei Abnahme einer RWA kann immer der Nachweis nach den neuesten, gültigen Normen gefordert werden, hier wäre das die EN 12 101-2.
Um diesen Forderungen heute schon gerecht zu werden, bietet die Firma Schüco bereits heute eine Reihe geprüfter RWA Systeme (nach DIN EN 12 101-2) sowohl für die horizontale (Rauchableitung über das Dach) als auch vertikale (Rauchableitung über die Fassade) Entrauchung an.

Fazit
Wenn Rauchabzüge eingebaut werden, müssen deren Nachweise über die Tauglichkeit nach EN 12101-2 vorliegen. Außerdem besteht die Möglichkeit einer Zustimmung im Einzelfall, diese ist aber im Gegensatz zu den nach EN 12 101-2 geprüften Systemen kosten- und zeitintensiver.
Da Rauchabzüge für Treppenhäuser in den Landesbauordnungen (LBO) verankert sind, wo die Öffnungsflächen 1 m2 oder 5 % der Grundfläche betragen, sind die Nachweise der Aerodynamik nach EN vernachlässigbar (können aber angewandt werden).
Die Bemessung der Flächen nach DIN 18232-2 kann hier nicht angewandt werden, da diese nicht für Treppenräume gilt. Warum? In Treppenräumen arbeitet man nicht mit raucharmen Schichten.


Text:
Dipl.Kauffrau (FH) Annik Erdmann
Frau Erdmann hat European Business Studies in Osnabrück studiert und ist im Marketing der STG-Beikirch, Lemgo-Lieme, tätig.
Dipl.Ing. Burkhard Fröhlich, Gütersloh

Chefredakteur, Bauverlag, Gütersloh
Zeichnung:
STG-BEIKIRCH


Wie funktioniert Rauchabführung?

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