RDA Interview
Aus kompetentem Munde: Bauliche Voraussetzungen für eine sichere RDA
Wissenswertes für die Architektenplanung vom Brandoberamtsrat der Feuerwehr Frankfurt/Main
Mit zunehmender Gebäudehöhe von Hochhäusern nehmen die Anforderungen an den baulichen Brandschutz immer mehr zu. Welche wichtigen Schritte bereits in der frühen Planungsphase des Gebäudeentwurfs nötig sind, wollten wir im Interview mit Herrn Brandoberamtsrat Tönnes von der Frankfurter Feuerwehr erfahren. Sie ist für den Brandschutz wie auch den Ernstfall mit den höchsten Bauwerken in Deutschland und Europa konfrontiert.
Nach welchen Vorschriften und Richtlinien RDA auszuführen ist und wie man dabei Kosten, Zeit und nicht zuletzt den Raumbedarf für den baulichen Brandschutz innerhalb eines Gebäudes reduzieren kann, das erläutert das folgende Gespräch.
Interview mit H.Tönnes (Brandoberamtsrat FFM):
1)
K.-H.Warkentin (freier Redakteur): Herr Tönnes, Sie sind Brandoberamtsrat der Feuerwehr in Frankfurt am Main und haben in dieser Funktion mit den höchsten Hochhausgebäuden in Deutschland und sogar in Europa zu tun. Welche Grundvoraussetzungen müssen aus Ihrer Sicht in der Baukörpergeometrie der Hochhaus-Architektur beachtet werden, um die heutigen RDA-Maßstäbe zu erfüllen?
Hr.Tönnes: Wichtig ist bei der Planung von Hochhäusern vor Allem das Berücksichtigen der Zuluft- und Abströmschächte in der Gebäudegeometrie, da das nachträgliche Einfügen in den Gebäudekörper zu erheblichen Mehraufwänden und damit zu unkalkulierbaren Zusatzkosten führt. Ähnliches gilt auch für die Abströmung über die Fassade.
Standardrezepte gibt es hierfür nicht, stattdessen müssen Architekten und technische Planer ein Konzept entwickeln, aus der dann die ideale Gebäudegeometrie entsteht, die natürlich auch die Anforderungen des Statikers an das Gebäude erfüllen muss. Alle Sachverständigen zum Brandschutz müssen so früh wie möglich in die Planungsphasen der Projektplanung einbezogen werden. Nur so kann vermieden werden, dass mit großem Kosten-und Zeitaufwand nachträglich Öffnungen in den bereits betonierten Gebäudekörper für die Schächte eingebracht werden müssen.
1.1)
Frage: Welches sind die heutigen Maßstäbe beziehungsweise Bauordnungen und technischen Regelwerke, die beim Hochhausbau in Bezug auf Brandschutzmaßnahmen berücksichtigt werden müssen?
Hr.Tönnes: Das ist in erster Linie die Muster-Richtlinie über den Bau und Betrieb von Hochhäusern, also die sogenannte Muster-Hochhaus-Richtlinie (MHHR) in ihrer Fassung vom April 2008 mit den landesspezifisch eingeführten Erläuterungen. Auch Leitfäden und Merkblätter entsprechender Verbände und Arbeitskreise können heran gezogen werden. Diese haben aber keine Rechtsgültigkeit, es sei denn, sie sind eine eingeführte Regel des jeweiligen Bundeslandes.
1.2)
Frage: Welche Umwelteinflüsse sind in der Planung zu berücksichtigen?
Hr.Tönnes: Windströmungen um ein Gebäude beispielsweise haben einen großen Einfluss auf die Anordnung der Abströmungen, wie wir aus Windgutachten wissen. Es kann möglicherweise sein, dass eine Fassadenabströmung auf Grund möglicher Windverhältnisse und der Gebäudegeometrie nicht realisierbar ist. Wichtig ist also immer eine Strömungssimulation im Windkanal, denn der Wind kann entscheidend sein bei der Frage, ob eine Fassadenabströmung oder eine Schachtabströmung einzusetzen ist. Ein Windgutachten sollte bei Gebäuden ab einer Höhe von 60 Metern auf jeden Fall vorgesehen werden. Wer simuliert, hat eine sehr hohe Planungssicherheit und damit die Gewissheit, dass sein Gebäude zum gewünschten Zeitpunkt in Betrieb gehen kann. Aber auch die Nachbarbebauung und resultierende Gefährdungsszenarien daraus, wie sie beispielsweise durch eine Chemiefabrik in der Nähe entstehen können, sollten unbedingt berücksichtigt werden, obwohl das Baurecht lediglich das Gebäude an sich betrachtet und nicht über die Grundstücksgrenze hinaus mögliches Gefahrenpotenzial berücksichtigt. Danach wird die RDA nur für das Gebäude selbst gebaut, nicht für äußere Einflüsse. Und nicht zuletzt spielen natürlich auch klimatische Einflüsse von Sommer und Winter, also etwa zu erwartende minimale und maximale Außentemperaturen bei der RDA-Planung eine Rolle.
2)
Frage: Mit welchen thermischen Einflüssen ist bei unterschiedlichen Außentemperaturen zu rechnen?
Hr.Tönnes: In Winterszenarien ist gegenüber dem Sommer auf Grund geänderter Temperaurverhältnisse mit einem größeren Dichteunterschied der beiden Luftsäulen von Außenfassade und Sicherheitstreppenraum zu rechnen. Daraus resultiert ein beschleunigter Abbau der Druckdifferenz und entsprechend erhöhtem Auftrieb, was zu unüberwindbaren Türöffnungskräften im Sicherheitstreppenraum führen kann.
Dem muss mit entsprechenden technischen Einrichtungen entgegen gewirkt werden. Im Brandfall darf die Druckdifferenz auf keine der angrenzenden Türen eine größere Kraft als 100N (diese entspricht 50pa bei einer 2qm großen Tür) ausüben, da sonst das Risiko besteht, dass die Tür im Brandfall nicht mehr zu öffnen ist.
2.1)
Frage: Welche Einflüsse haben unterschiedliche Außentemperaturen auf das Regelverhalten?
Hr.Tönnes: Aufgrund der Thermik sind im Sicherheitstreppenraum und dem Fahrschacht des Feuerwehraufzuges sehr unterschiedliche Druckverhältnisse vorhanden. Diese müssen geregelt werden, um die geforderten Türöffnungskräfte, Volumenströme und Strömungsgeschwindigkeiten, für die RDA einhalten zu können.
2.1.1)
Frage: Können diese thermischen Einflüsse durch passive bzw. aktive Anlagen ausgeglichen werden und wo sind die Grenzen?
Hr.Tönnes: Bei klassischen, passiven Anlagen ist der Einsatz auf bestimmte Gebäudehöhen begrenzt. Bei Gebäuden über etwa 60 bis 65 Metern Höhe oder auch niedrigeren Gebäuden mit einer komplexen Gebäudegeometrie werden dynamisch, also aktiv geregelte RDA-Systeme in der Regel unverzichtbar, da die Wahrscheinlichkeit, dass barometrisch geregelte Klappen ab einer bestimmten Bauwerkshöhe noch zuverlässig funktionieren, abnimmt. Aktiven Anlagen gehört also nach Meinung von Fachleuten eindeutig die Zukunft, denn durch aktive Anlagen ist eine Regelung ohne weiteres für jede Gebäudehöhe realisierbar., so dass ein konstanter Hüllflächendruck im Sicherheitstreppenraum und im Feuerwehrfahrstuhlschacht über die gesamte Bauwerkshöhe immer gewährleistet werden kann. Aufgrund der Komplexität des Sachverhaltes legen wir von der Feuerwehr Frankfurt großen Wert darauf, dass in der Planungsphase entsprechende Lüftungssachverständige involviert sind.
3)
Frage: Welches RDA-Planungsmaterial steht Architekten und Planern heute zur Verfügung, um für die RDA-Planung eine Hilfestellung zu erhalten?
Hr.Tönnes: Grundlagen für kleinere Gebäude enthält der RDA-Anwenderleitfaden, für höhere Gebäude ist das Hinzuziehen eines Brandschutz- und/oder Lüftungssachverständigen zu Beginn der Planungsphase unbedingt zu empfehlen. Auch eine frühzeitige Simulation kann durch günstigere Dimensionierung der verwendeten RDA-Komponenten zu erheblichen Kosten- und Platzeinsparungen führen, ohne die angestrebten Schutzziele zu gefährden.
4)
Frage: Welche Inhalte muss ein Brandschutzkonzept beinhalten, damit strömungstechnisch alle Voraussetzungen erfüllt werden?
Hr.Tönnes: Es muss eine klare Aussage über die Parameter getroffen werden, welche Strömungsgeschwindigkeiten und Türöffnungskräfte nach MHHR 6.2.2 und 6.2.4 erreicht werden und wie das Schutzziel bei eventuell beabsichtigter Abweichung von der MHHR dennoch sicher gestellt wird.
5)
Frage: Nach welchen Kriterien müssen RDA-Produkte geprüft sein?
Hr.Tönnes: Dazu gehen die Meinungen sehr auseinander. Mir fallen dazu nur drei Begriffe ein, nach denen RDA-Produkte geprüft werden sollten: Zuverlässigkeit, Wirksamkeit und Ausfallwahrscheinlichkeit. Mehr ist dazu nicht zu sagen.
6)
Frage: Welche Gründe sprechen für die Zertifizierung von RDA-Systemen oder RDA-Produkten?
Hr.Tönnes: Die Akzeptanz und Planungssicherheit ebenso wie die Vergleichbarkeit der Produkte sprechen für eine Zertifizierung von RDA-Produkten. Im CE-Zeitalter muss es aber für eine Sicherheitsanlage eine Regelung geben, die besagt, dass die Anlage alle erwarteten Sicherheitskriterien erfüllt, so wie dies beispielsweise für das Inverkehrbringen einer Aufzugsanlage nach Aufzugsrichtlinie 95/16/EG der Fall ist. Dies kann jedoch nur durch eine Einzelfallprüfung erreicht werden, da jede RDA ein individuell zu betrachtender Einzelfall ist. Eine Zertifizierung kommt hier meines Erachtens nach nicht in Frage.
7)
Frage: Welche Systemkomponenten sollten redundant ausgeführt werden?
Hr.Tönnes: Ein Blick ins Gesetz erspart viel Geschwätz: Gemäß den Erläuterungen zur MHHR gibt es eine Differenzierung, ob ich einen Sicherheitstreppenraum oder zwei Sicherheitstreppenräume habe. Bei Benutzung von zwei Sicherheitstreppenräumen benötige ich keine Redundanz. Bei einem einzigen Treppenraum betrifft die Redundanz die Wirksamkeit der für die Anlage wichtigen Komponenten der Druckerzeugung, insbesondere die Ventilatoren und Steuerungsanlagen.
9)
Frage: Welche architektonischen Randbedingungen müssen in der Abströmung über Fassade oder Schacht berücksichtigt werden?
Hr.Tönnes: Bei einer Fassadenabströmung ist ein Windgutachten notwendig, denn entsprechende Windverhältnisse können bei einer Fassadenabströmung zu einer Umkehr der Strömungsrichtung führen. Dies bedeutet, dass die Luft durch den Wind zurück in den Treppenraum gedrückt wird und die RDA ihr Ziel verfehlt.
9.1)
Frage: Wie wirken sich Druckverluste bei zu kleinen Abströmöffnungen des Schachtes aus?
Hr.Tönnes: Das Schutzziel der Strömungsgeschwindigkeiten wird nicht erreicht. Je kleiner der Querschnitt der Abströmöffnungen ist, umso intelligenter muss das Regelverhalten der Anlage sein.
9.2)
Frage: Können Personenaufzugschächte zur Abströmung genutzt werden?
Hr.Tönnes: Möglich ist es, erwünscht ist es jedoch nicht, da Aufzüge in der Regel im Erdgeschoss offen stehen, einen freien Zugang zum Atrium haben und damit erhebliche Nachströmungen entstehen. Die Druckerzeugung und -regelung ist hier wesentlich schwieriger, da der Aufzugseingang einen riesigen Bypass darstellt. Rauch soll darüber hinaus in der Etage bleiben, in der er entsteht. Sobald er durch das gesamte Gebäude gelangt, ist er unkontrollierbar. Deshalb haben Aufzüge in den Etagen absperrbare Vorräume erhalten.
10)
Frage: Ist es ab einer bestimmten Gebäudehöhe notwendig, die RDA-Systeme über die Höhe zu trennen?
Hr.Tönnes: Ja, ab Gebäudehöhen von etwa 200 bis 250 Metern wird eine vertikale Aufteilung der RDA auf mehrere Systeme notwendig. Die Trennung erfolgt durch einen oder mehrere Aufenthaltsräume, die gleichzeitig als Druckschleuse dienen, indem nicht beide Zugänge eines Raumes gleichzeitig geöffnet werden können, um die Luftsäulen sowohl über also auch unter der Trennetage stabil zu halten. Die vertikale Trennung gilt aber auch für die Einlassöffnungen: je mehr regelbare Einlassöffnungen vorhanden sind, umso genauer kann ein gezielter Hüllflächendruck in der Brandetage erreicht werden. Anders als bei kleineren Gebäuden ist es in der „Königsklasse“ der Hochhäuser nicht mehr möglich, über die gesamte Bauhöhe vom UG bis zur obersten Etage einen konstanten Hüllflächendruck im Sicherheitstreppenraum und im Feuerwehrfahrstuhlschacht zu erreichen.
Herr Tönnes, wir bedanken uns für das umfassende und informative Gespräch.
Zeichen: 11.332
Autor: Karl H. Warkentin (DPV – Deutscher Presse Verband, VG Wort, VG Bild-Kunst)
Kontakt: Karl H. Warkentin – Fotografie, Oberkirch, Wäldenstr. 24
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Datum: 17.10.2013